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Snowterview

Am Sonntag spät abends hat die ARD das erste Interview mit Edward Snowden seit dessen Flucht nach Russland ausgestrahlt. Das hätte journalistisch wertvoll werden können, wenn der Sender dabei nicht so viele Fehler gemacht hätte wie möglich.

Dafür, dass Snowden (soweit ich das mitbekommen habe) nicht viel inhaltlich gesagt hat (er lässt den Medien den Vortritt bei Enthüllungen), dafür kann niemand vom Sender was. Inhaltlich hat Snowden aber darauf verwiesen, dass die, die glauben, dass nur Merkel abgeschnüffelt wird, nochmal ganz scharf nachdenken sollten, ob das realisitisch wäre. Außerdem geht er klar von Wirtschaftsspionage aus.

Wofür die ARD bzw. der NDR als ausführender Sender, etwas können sind die bescheuerte Programmplanung, und die noch bescheuertere Veröffentlichung. Das weltweit erste exklusive Interview mit dem Mann, dessen Enthüllungen seit inzwischen über einem halben Jahr in der Politik und den Medien Wellen schlagen war der ARD weder einen Brennpunkt wert, noch eine sonstige Änderung des Sonntagsprogramms. Stattdessen durfte erst der Tatort über die Schirme flimmern, danach eine Gruppe von mehr oder weniger geeigneten Personen bei Jauch sich über das Interview auslassen, was die Beteiligten mutmaßlich auch nicht komplett gesehen hatten. Mal ganz davon abgesehen: Was denkt sich die Redaktion von Jauch eigentlich, könnte ein Schreiberling vom Springer-Verlag sinnvolles zu Snowden beizutragen haben? Ich wüsste nicht, dass Springer irgendwas mit den Veröffentlichungen zu tun gehabt hätte. Dann kamen noch die Tagesthemen, und dann, um 23:00 am Sonntag Abend lief für eine halbe Stunde das Interview, was auch nur in übersetztem Ton zu hören war. Im Internet hatte die ARD das Video auch eingestellt, und zwar sowohl in der Mediathek des Senders als auch auf deren Youtube-Kanal. Haken daran: Auf beiden Wegen ließ sich das Video nur von IPs aus abrufen, die in Deutschland lägen. Mal ganz davon abgesehen, dass auch bei den online bereitgestellten Videos nur eine deutsche Übersetzung zu hören war, und bestenfalls Ausschnitte auf englisch.

Da haben natürlich ziemlich schnell Leute bei der ARD nachgefragt, woran das denn liegt. Antwort des NDR: Man habe die Rechte an der Verbreitung der unübersetzten Videos nicht. Wer jetzt glaubt, dass irgend ein Böser Verwerter dem armen Sender die Rechte geklaut haben könnte, liegt aber falsch: Das Rechte liegen bei einer 100%-Tochter des Studio Hamburg, das wiederum im alleinigen Besitz des NDR ist. Wenn also die Tochterfirma der Tochterfirma dem Sender die Rechte nicht einräumt, liegt die Verantwortung dafür auch nur beim Sender. Das ist dann auch ziemlich schnell aufgefallen, und im Lauf des Montags ist die ARD zurückgerudert und hat auch eine unübersetzte Fassung des Interviews veröffentlicht. Ob damit der Vertrieb der Rechte international gestört würde, hätte ich zumindest nicht gehört.

Insgesamt kommt bei mir die Botschaft an, dass die ganzen Enthüllungen auf die persönliche Ebene gezogen werden sollen, indem man sich mehr mit Snowden befasst als der Vollüberwachung, die dank ihm bekannt geworden ist, und deren Ausmaß immer noch zunimmt. Und eine Jauch'sche Sprechrunde über ein Interview, was noch gar nicht veröffentlicht wurde, will mir auch nur begrenzt sinnig erscheinen. Analog dürften bei Sportveranstaltungen ab jetzt erst die Ergebnisse diskutiert werden, bevor dann die eigentlichen Veranstaltungen gezeigt werden.