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(Neu)Landesverrat

Ich hatte es zwar schon im Podcast, aber in schriftlich kann ich's ja auch mal festhalten...

Am Donnerstag veröffentlichte netzpolitik.org, dass der Generalbundesnichtsnutz (das ist der, der eigentlich so Dinge wie massenhafte spionage gegen Deutsche untersuchen müsste, genau das aber seit inzwischen zwei Jahren nicht tut) nun also auch da einen Brief hingeschickt hat, dass er gegen Markus Beckedahl, Andre Meister und unbekannt ermitteln würde. Vorgeworfen wird denen der Verdacht, sie könnten Landesverrat begangen haben, indem die beiden Blogger Informationen über den Bundesverfaschungsschutz (das ist der Sauhaufen, der Grundrechte so schützt, dass er Mörder jahrelang mit Geld und Schutz versorgt, und nach deren Aufdeckung alle relavanten Akten schnell vernichtet) veröffentlicht haben. In den Veröffentlichungen wurde gezeigt, dass der Verfaschungsschutz beliebig Internet-Übertragungen beschnüffeln will, was dem Verfaschungsschutz eigentlich verboten ist.

Nun hat am Donnerstag Netzpolitik also veröffentlicht, dass laut dem Generalschnüffelschützer gegen zwei Personen ermittelt werde, die ziemlich eindeutig joutnalistisch tätig sind. Das gab es in Deutschland schon mal, damals bildete sich ein Herr Strauß ein, er könne gegen das damalige Nachrichtenmagazin Spiegel ermitteln lassen. Am Ende waren dann Strauß sein Ministerium los, der damalige Generalbundesanwalt seinen Job, und vermutlich gab es noch ein paar Bauern die geopfert wurden, damit die Hohen Herren weicher fielen.

Spannend ist an der Geschichte auch eher das Umfeld: Einerseits berichten ein Rechercheverbund aus zwei öffentlich-rechtlichen TV- und Radiosendern und einer Zeitung regelmäßig aus Unterlagen, die einigermaßen offensichtlich nicht zum öffentlichen Konsum gedacht waren. Dann verlautbarte kürzlich erst das Papiererzeugnis mit besonders großer Schrift aus einem als vertraulich eingestuften Dokument. Die reine Tatsache, dass also über Verschlussachen und deren Inhalte berichtet wird, interessierte bisher den Generalschnüffelschutz nicht. Der einzige offenkundige Unterschied ist, dass Netzpolitik auch mal ganze Dokumente veröffentlicht, anstatt sich auf "laut Dokumenten, die unserer Redaktion vorliegen"-Formulierungen zurückzuziehen.

Ebenfalls spannend: Wie die Reaktion auf die Netzpolitik-Meldung aussah. Innerhalb kurzer Zeit verschwand das Netzpolitik-Blog unter der Last, aber die relevanten Veröffentlichungen wurden kurzfristig gespiegelt. Dann ist die Bankverbindung des Netzpolitik-Vereins, der offiziell den blog betreibt, bei Twitter zum Trending Topic geworden. Dann hat das Correctiv-Blog genau die beiden beanstandeten Veröffentlichungen komplett gespiegelt, inklusive der beanstandeten Dokumente. Aus dem Journalistenverein djv wurde Kritik an der offensichtlichen Einschüchterungstaktik laut, die großen Journalismus-Outlets haben die Fakten wiedergegeben, und Sympathiebekundungen verbreitet. Markus Kompa hat nicht einen, sondern gleich zwei vor Ironie triefende Texte bei Telepolis veröffentlicht. Die wochentägliche Medienschau im Bildblog ist reichlich monothematisch geworden, Stefan Miggemeier hat den Deutschlandfunk-Schnüffelexperten bei wahrheitswidriger Aussage im Radio erwischt (die offizielle Erklärung von "Versehen" stößt im Netz auf Unglauben), diverse Unionspolitiker fallen mit fehlendem Verständnis der Reihenfolge der Gesetze auf (hint: Grundgesetz ist wichtiger, meinten auch: BGH, BVerfG). Am Freitag Nachmittag fällt auch in Berlin ersten Vertretern auf, dass Frau Streisand wohl zu Besuch sei, und dass es mal opportun wäre, langsam die Ruder einzupacken. Da verbreitet dann FAZ, Range hätte das Verfahren eingestellt, wobei es wohl eher so ist, dass er auf ein Gutachten wartet, ob die veröffentlichten Dokumente überhaupt als so hohe Staatsgeheimnisse gelten dürften, deren Veröffentlichung einen derart großen Hammer auch nur ansatzweise rechtfertigen könnte. Ich möchte mal lösen: Nein.

Übrigens auch juristisch spannend: Die Straftat Landesverrat setzt ja Absicht vorraus, und zwar die Absicht, dem Staat zu schaden. Ob Range sich zutraut, das gerichtsfest beweisen zu können, wage ich schon mal anzuzweifeln. Immerhin hat er so einen Vorwand, warum er nicht gegen die Schnüffler aus USA und vom BND ermitteln könnte, die in Wirklichkeit das Land verraten.

Lustig auch, wer sich über das Wochenende wie geäußert hat. Erst kam der Verratsminister Maas am Freitag an, und meinte, dass er Zweifel am Landesverrat hätte. Maaßen hat sich dazu in der Regierungs-Postille gemeldet und verkündet, dass der Verfassungsbruch die Verfassung nur schützen könne, wenn er sie breche, oder so ähnlich. Und auch das Innenministerium ist wohl informiert gewesen, aber niemand will den Herrn Minister informiert haben. Das ganze Geruder war fast schon wieder lustig.

PS: Der CCC lobt angesichts der Strafermittlungen einen Preis für die Verratsdatenspeicherung aus. Denn immerhin beweist der Generalbundesanwalt ja, dass er doch vereinzelt ermitteln könnte.