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RealitätsverzuG20

Noch zwei Geschichten rund um G20, wo sich Veröffentlichungen und Tatsachen beißen. Erstmal hat wohl der Hamburger Bürgermeister Scholz beuhauptet, es hätte gar keine Polizeigewalt gegeben. Das ist in der Allgemeinheit nichtmal vom Zahlenerfinder Maiziere behauptet worden, beißt sich aber auch mit einer anderen Meldung, nach der es 35 Verfahren gegen Polizisten gäbe. Mal ganz davon abgesehen, dass es reichlich Videos und Fotos gibt, auf denen man zumindest vermuten kann, dass Polizisten "einfachen Zwang" ausgeübt haben, was bei Normalsterblichen Gewalt genannt würde. Nun hat die Polizei hierzulande das Gewaltmonopol, hat dann aber im Gegenzug auch für jeden Fall nachweisen zu können, inwiefern die jeweilige Gewaltanwendung gerechtfertigt sei. 

Ich gehe nicht davon aus, dass Gewalttätige im Polizeidienst mit Strafen rechnen müssen, weil sie erstens vollvermummt und gepanzert, zweitens in Gruppen aktiv und drittens dank Chorpsgeist von anderen Polizisten gedeckt waren. Aber so lange, bis die Verfahren abgeschlossen sind, zu behaupten, es häte gar keine Gewalt gegeben, ist schon mehr als dreist. Um übrigens mal ein reales Beispiel zu zeigen, was Polizisten bei unstrittig unangemessener Gewaltanwendung droht: Als 2010 Polizisten gewaltsam und illegal (laut Gerichtsurteilen) bei der Auflösung einer Demonstration in einem Park in Stuttgart einem Rentner per Wasserwerfer beide Augen zerstört haben, wurden weder die Bediener der Wasserwerfer, noch deren Vorgesetzte oder sonst irgendwer strafrechtlich belangt. Dabei würde ich bei einer vollendeten Verletzung eines Körpers doch mal mindestens die Körperverletzung als gegeben vermuten wollen, um nicht gleich von versuchtem Mord zu sprechen.

Und dann war da noch die Meinungsmache per Zahlen. 476 Polizisten seien verletzt worden, hieß es. Wenn man, wie Marcus Engert bei Buzzfeed, mal genauer hinsieht, schrumpft die Zahl derjenigen, die von den Bösen Linksextremen verletzt wurden aber rapide: An den Gipfeltagen 6. bis 9. wurden überhaupt nur 231 Polizisten verletzt, der Rest offenbar an anderen Tagen. Von den Verletzten waren auch nur 21 Personen nicht spätestens am nächsten Tag wieder einsetzbar, "schwer verletzt" wären zwei (bei der Polizei ist jemand "schwer verletzt", der mindestens eine Nacht im Krankenhaus verbringt). Aber auch die an den Gipfeltagen ausgefallenen Polizisten sind nicht zwingend von Linksextremen verletzt worden, weil zum Beispiel deren Kreislauf nicht durchgehalten hat, oder sie gar von Terroristen mit verbotenen Chemischen Kriegswaffen (im allgemeinen Sprachgebrauch auch Pfefferspray genannt) besprüht wurden, oder davon etwas abbekommen haben.

Und so finden sich weit verbreitet die Behauptungen der Polizeiführung, wie gewalttätig die Bösen Gegner doch gewesen wären, und wie viele arme, stets friedliche Polizisten die doch bösiglich verletzt hätten, dabei geben die echten Zahlen die Behauptungen nicht her. Nur schade, dass "Scholz und Polizeiführung beim Lügen erwischt" nicht als Schlagzeile auftauchen wird.