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Rechtsblind

Es ist gerade mal etwas mehr als eine Woche her, als die Polizei eine Demonstration gewaltsam aufgelöst hat, weil da Personen drin vermummt gewesen wären. Da fielen im Netz reichlich vergleiche zu rechtsextremen Demos, die bei ähnlichen Vorraussetzungen (ein kleiner Anteil Vermummter in der Demo) nicht aufgelöst wurden, weil man das ja nicht machen könne. Am vergangenen Wochenende war in Thüringen eine Gelegenheit für die Polizei, wo sie zeigen konnte, dass rechtsmotivierte Straftaten genauso hart verfolgt würden. Denn da fand in einem kleinen Ort namens Themar ein Konzert rechtsorienterter Gruppen statt, und es ist zu bedauerlichen Einzelfällen von kollektiven Hitlergrüßen und "Sieg Heil"-Rufen gekommen. Analog der gewaltsam aufgelösten Demo in Hamburg würde man erwarten, dass bei 6000 Teilnehmern mindestens 2000 Polizisten mit einigen Wasserwerfern und tonennweise Pfefferspray reingebrettert wäre beim ersten Auftreten eines Symbols der verbotenen Organisation. Dummerweise waren das ja nur ein paar Nazis (hier ist der Begriff auch angemessen, denn schließlich sind Hitlergruß und Sieg Heil Ausrufe der originalen Nationalsozialisten gewesen), und außerdem hat ja auch niemand ein Auto angezündet. Und überhaupt.

Oder anders ausgedrückt: Ja, die Polizei (hier verallgemeinernd für die Organisation gemeint) ist in Deutschland blind gegenüber Rechten. Nicht, dass das angesichts der Morde der NSU oder der bedauerlichen Einzelfälle von rechtsmotiverten Gewalttaten (irgendwas jenseits zehntausend im letzten Jahr) noch ernsthaft bezweifelt werden konnte. Aber nachdem ein Bürgermeister Scholz nach G20 ernsthaft behaupten konnte, es habe gar keine Polizeigewalt gegeben, muss man ja auch die offensichtlichen Tatsachen nochmal wiederholen. Apropos: Waren überhaupt Polizisten in Themar? Und ich meine nicht als Konzertbesucher, die vielleicht versehentlich kollektiv ebenfalls die Handgesten und Hassbotschaften mitgemacht haben könnten, sondern als offizielle Staatsmacht. Auf den Bildern, die mir so begegnet sind, waren jedenfalls nirgendwo Polizisten zu erkennen. Wie gut, dass es zu keinen Gesetzesverstößen gekommen ist. Oh, warte...