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Beschneidanken

Vor einigen Wochen hat in Köln ein Gericht geurteilt, die religiös begründete Beschneidung eines Jungen sei eine Körperverletzung, und damit strafbar. Der Arzt, der die Beschneidung durchgeführt hatte, wurde nicht bestraft, weil er ja nicht hätte wissen können, dass er eine Straftat begehen würde. Bisher habe ich mich dazu hier nicht geäußert, weil ich mir erst eine Meinung bilden wollte. Da gab es einerseits die Argumente, dass eine Beschneidung aus rein religiösen Gründen ja ein unnötige Operation sei, die auch mit Risiken verbunden wäre, während andererseits sehr schnell Stimmen laut wurden, dass ein Verbot der Beschneidung ja eine Einschränkung der Religionsfreiheit bedeuten würde (wobei hier spannenderweise Muslime und Juden sich ähnlich geäüßert haben, wobei mindestens ein Vertreter einer Rabbi-Konferenz den Herrn Godwin geweckt hat), und man hätte das doch schon immer so gemacht. Aus der Politik wurden in den letzten Wochen auch die Stimmen lauter, die verlangt haben, es müsse eine gesetzliche Regelung geben, die in Zukunft die Beschneidung aus religiösen Gründen ermöglichen sollte.

Und dann ist mir dieser Text in meinem Feedreader begegnet, der - wie ich finde - die Abwägung der betroffenen Rechtsgüter ganz gut schafft. Da ist einerseits das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Jungen und andererseits das Recht auf Religionsausübung der Eltern (ein Kleinkind übt ja nur in Ausnahmefällen mal selbst Religion aus). Und außerdem gibt es da noch eine UN-Kinderrechtskonvention, die Deutschland höchstwahrscheinlich auch ratifiziert haben dürfte (ich bin grad zu faul nachzusehen), die Kindern auch ihre körperliche Unversehrtheit zusichert. Wenn die Riesengroße Koalition (aus C-Parteien, FDP, sowie SPD und Grüne haben sich bisher Vertreter so geäußert, dass ich davon ausgehe, dass die religiös begründete Beschneidungen irgendwie erlauben wollen) also tatsächlich Körperverletzung aus religiösen Gründen erlauben will, stellen sich spontan mehrere Probleme auf: Wie soll so eine gesetzliche Regelung sicherstellen, dass nicht schwerwiegende Fälle von Körperverletzung damit auch ermöglicht werden (so spontan fallen mir Beschneidungen an Mädchen ein, die nach allem was ich darüber mitbekommen habe, ein extrem schmerzhafter Eingriff mit permanenten Folgen sind), wie sollte so eine Regelung mit Kinderrechtskonvention (vermutlich hat die keine Strafen bei Versto0 festgelegt?) und Grundgesetz konform gehen? Und wie will man dann noch eigenartigen religiöse Forderungen begegnen, wie Zwangsheiraten oder einem Verbot medizinischer Behandlungen oder ähnliches?

Übrigens finde ich auch das Argument komisch, dass bei einem Verbot für Ärzte die Familien jemand anderen für die Beschneidung suchen würden. Mit dem gleichen Argument könnte man alle anderen Straftaten auch legalisieren, weil die ja ohnehin vollzogen würden. Gerade das 'das haben wir schon immer so gemacht'-Argument finde ich besonders schwach, weil man damit ja auch argumentieren kann, dass andere abstruse Regelungen aus dem Alten Testament wieder eingesetzt werden müssten (da gibt es im Netz einen nicht ganz ernstgemeinten Text, wo von Sklavenhaltung, Steinigung von Ehebrechern und Ähnlichem die Rede ist). Dass sich komischerweise niemand an alle Regeln der religiösen Texte hält, deutet für mich eher darauf hin, dass das nicht ganz so zwingend ist, wie die lautstarken Vertreter der Religionen fordern. Mal ganz davon abgesehen, dass es den Objekten der religiösen Beschneidung ja auch frei steht, sich später im Leben immer noch bewusst zu einer Religion zugehörig zu erklären, und dann, wenn gewünscht, auch ihre Vorhaut abzugeben. Aber stattdessen wird jetzt erstmal typisch für das Sommerloch großer Staub aufgewirbelt. Übrigens sehe ich auch keinen Grund in Aktionismus auszubrechen. Ich habe zumindest nicht davon gehört, dass die Polizei Ärzte festnehmen würde, die an Jungen bereits Beschneidungen aus rein religösen Gründen durchgeführt hätten.

Ein etwas polemischerer Text ist mir dann auch hier noch begegnet.

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Compyblog am : Beschneidebatte

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Zum Thema Beschneidungen habe ich in den letzten Tagen noch ein paar mehr Meinungen im Netz gefunden, von denen ich besonders die juristisch geprägten Überlegungen von Thomas Stadler hervorheben will. Als Kontrast dazu greife ich mir mal den Grünen-Politi

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