Terror, Terroris
Möchte noch jemand etwas mehr Terror-Angst haben?
Möchte noch jemand etwas mehr Terror-Angst haben?
Mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht glaube, dass ein derart starker Eingriff in die Grundrechte der Bürger einfach so mit einer Dienstanweisung eines Ministers rechtlich begründet werden kann, finde ich die im Artikel zitierte Aussage der Regierungsvertreter einfach nur dreist, dass die Unverletzlichkeit der Wohnung bei einem "im Garten" stehenden Rechner ja nicht verletzt werden könne.
Darauf zu hoffen, dass nach dieser Offenbarung politische Konsequenzen gezogen werden, wäre allerdings wahrscheinlich zu viel verlangt. Leider.
Wie man heute bei der Netzeitung nachlesen kann, ist die politische Diskussion um die verschiedenen "Sicherheits"-Themen noch längst nicht zu einer ernsthaften Diskussion um konkrete Themen gelangt. Statdessen darf man alle mögliche und unmögliche Polemik lesen: Der bayrische Innenminister Beckstein droht in Richtung der SPD mit einer Debatte um Mitschuld, sollte es zu einem Anschlag kommen. Außerdem müsste sich die SPD doch nach einem (theoretisch stattfinden könnenden) Anschlag fragen, "warum sie nicht alles zur Terrorabwehr unternommen hat". Die Frage, warum deutsche Tornado-Flugzeuge denn unbedingt in Afghanistan im Kriegseinsatz sein müssen, und welche Auswirkungen auf die Anschlagsgefahr in Deutschland das haben könnte, scheint Beckstein sich ja nicht zu stellen.
Auch aus der SPD gibt es einen Fürsprecher zur Online-Durchsuchung. Der Innenpolitiker Wiefelspütz (im Schnüffelblog immer gerne als "Wiefelschnüff" bezeichnet) hält die verdeckte Durchsuchung für absolut notwendig. Allerdings sei ihm auch klar, dass sie nur "mit sehr hohen Hürden und in extremen Ausnahmefällen zum Einsatz kommen kann". Dabei rechnet der Mann mit etwa zehn bis 20 Fällen pro Jahr.
Weiter bezeichnet der SPD-Mann die verdeckte Durchsuchung als "rechtlich heikle Maßnahme," bei der es logisch sei, dass "es im Moment noch mehr Fragen als Antworten gibt."
Immerhin will Wiefelspütz "sicher nicht zulassen, dass Datenschutz als Täterschutz diffamiert wird" stattdessen handele es sich um ein zentrales Bürgerrecht. Wie sich die verschiedenen Aussagen zu einem sinnvollen Gesamtbild zusammensetzen lassen sollen, steht im Artikel der Netzeitung leider nicht, aber es würde mich überraschen, wenn Wiefelspütz die beiden Aussagen in einen klaren Zusammenhang stellen könnte.
der Fraktionsvize Bosbach hat sich in Sachen Datenschutz dann auch mal wieder in Polemik geübt, indem folgendes zum Besten gab: "Wir sind in den letzten 25 Jahren nicht zu einem Polizei- oder Überwachungsstaat geworden und werden dies auch in 250 Jahren nicht werden." Nicht nur, dass Bosbach seine Aussage wohl nicht begründet, nein, er bezeichnet die Online-Durchsuchung als unverzichtbar für die Gefahrenabwehr. "Sonst gibt es im Internet einen geschützten Raum für Verbrecher, der vom Staat nicht kontrolliert werden kann." Auf der gleichen Basis verlange ich von Herrn Bosbach eine Offenlegung sämtlicher Einnahmen, Briefe, Telefonate und persönlichen Gespräche seit Beginn der Legislaturperiode, sonst gäbe es ja einen geschützten Raum für Politiker, der vom Bürger nicht kontrolliert werden kann. Mal ganz davon abgesehen, dass es beim Großen Lauschangriff einen nicht-kontrollierbaren Raum gibt, hat Bosbach das Internet offensichtlich immer noch nicht verstanden.
Dass sich Beckstein nicht hat nehmen lassen, sich zu der Diskussion um digital gespeicherte Passfotos und Fingerabdrücke zu äußern, war auch erwartbar. Was mich etwas überrascht, ist seine Aussage, ein anständiger Bürger könne darauf vertrauen, "dass der Staat auf seine privaten Daten keinen Zugriff nimmt." Wenn mich nicht alles täuscht, basiert das deutsche Rechtssystem nicht darauf, dass die Bürger ihrem Staat blind vertrauen müssen, sondern auf klaren und konkreten Regeln, an die sich alle staatlichen Maßnahmen halten müssen.
Sinnvolle Äußerungen kommen dagegen aus der FDP. die ehemalige Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sagt zu den Forderungen Schäubles: "Wir erleben eine Kaskade von täglich neuen Vorschlägen und bewusst missverständliche Äußerungen von Herrn Schäuble". Auch der FDP-Innenexperte Max Stadler hat sich zu Schäubles Forderungen geäußert: "Man hat den Eindruck, dass Herr Schäuble eine so große Zahl offenkundig undurchsetzbarer Vorschläge macht, um im Wege des 'Kompromisses' dann doch einiges durchzubringen."
Heute gibt es dann zu lesen, die Forderung zu den Fingerabdrücken wäre vom Tisch. Komischerweise wird diese Aussage von Seiten der CDU bestritten.
Dazu passend diskutieren Schäuble und Zypries praktisch in der Presse, was das Kabinett beschlossen hätte, und welche Meinungen man dazu haben sollte. Warum auch immer die nicht einfach miteinander telefonieren.
Da stellt sich mir doch die Frage, mit wem die Einführung der Überwachung wohl abgestimmt gewesen sein mag. Mal ganz davon abgesehen, dass eine Verfassungsklage gegen eben diese Überwachungsmaßnahme bereits angekündigt ist.
Zu hoffen, dass der selbsternannte anständige Bundesinnenminister Schäuble aus dem Widerstand in NRW etwas lernt, wäre wahrscheinlich zuviel verlangt, aber vielleicht wacht dann wenigstens die Kanzlerin auf und pfeift den Minister zurück.
Schäubles Argumentation, dass doch die informationelle Selbstbestimmung so unwichtig sei, zeigt noch einmal ganz deutlich, wie es beim Verfassungsminister mit der Achtung der Verfassungsgerichtsurteile aussieht. Aber Schäuble hat ja zuvor schon gesagt, dass er halt die Verfassung ändern (er nennt es "ergänzen") will, wenn das Verfassungsgericht bestimmte Bestrebungen für nicht verfassungskonform erklärt hat.
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Das soll der neue Grundsatz der Rechtsprechung sein, wenn es nach dem Bundesinnenschnüffler geht. Leider ist das Stern-Interview nicht im Netz zu finden, deswegen berichten heise-Ticker und Netzzeitung auch nur das, was der Stern von dem Interview online zeigt.
Laut der Zusammenfassung des Interviews argumentiert Schäuble für die Abschaffung der Unschuldsvermutung wie folgt: "Wäre es richtig zu sagen: Lieber lasse ich zehn Anschläge passieren, als dass ich jemanden, der vielleicht keinen Anschlag begehen will, daran zu hindern versuche. Nach meiner Auffassung wäre das falsch." Dass er dabei geflissentlich versäumt zu erwähnen, wie solch ein Hinderungsversuch an Unschuldigen aussieht. Man könnte sich zum Beispiel ein Lager für 'feindliche Kämpfer' vorstellen, in das all jene Personen ohne Verhandlung gesperrt werden, von denen der Herr Minister meint, sie könnten möglicherweise einen Anschlag begehen wollen.
Dazu passt auch, dass der Überwachungsminister "an all den Plänen nichts Schlimmes erkennen" könne, und eine ganz eigene Definition der Freiheit hat: "Die Gewährleistung von Sicherheit für Leib und Leben ist wesentlicher Teil der Aufgabe des Staates. Sie sichert uns eine Freiheit, die wir früher nicht hatten: weltweit zu reisen, zu kommunizieren, Geschäfte zu machen".
Folter lehnt Schäuble übrigens ab, und will sie "auch nicht augenzwinkernd" hinnehmen, aber wenn Nachrichtendienste von anderen Diensten Informationen über einen sehr gefährlichen Anschlag erhielten, wäre es "absurd", die Informationen nicht zu nützen, weil "nicht ganz so zuverlässig wie bei uns garantiert ist, dass sie rechtsstaatlich einwandfrei erlangt wurden". Mit einer anderen Haltung, so Schäuble, "würde ich meiner Verantwortung für die Sicherheit der Menschen nicht gerecht." Oder anders ausgedrückt: Folter ist dann in Ordnung, wenn durch sie Aussagen zu Anschlagsplänen erpresst werden, aber sonst nicht.
Den Gegnern seiner Überwachungsmaßnahmen wirft Schäuble dann auch noch vor, sie begingen "eine unakzeptable Diffamierung". Immerhin achte er ja die Verfassung. "Wer Gegenteiliges behauptet, betreibt ein infames Spiel mit mir."
Ich gehe mal davon aus, dass spätestens nach diesem Interview der Berliner Verfassungsschutz oder der Bundesverfassungsschutz dieses "infame Spiel" mitspielt, und den Schnüffelminister unter Beobachtung stellt. Von selbst wird der Mann wohl nicht merken, wie sehr er dem Staat, den zu schützen er vorgibt, mit seinen Auftritten schadet.
Positiv ist dagegen, dass die tolle Gesundheitskarte, die wir offiziell bereits seit bald 1.5 Jahren haben sollten, sich wohl bis 2010 verzögern dürfte. Die zentrale Speicherung gesundheitsrelevanter Daten hat zwar bisher noch nicht das Interesse des Bundesinnenschnüfflers geweckt, aber der selbsternannte Anstand wird bestimmt nach der Einführung der Speicherung einen Weg finden zu begründen, warum er sofort einen Vollzugriff auf sämtliche Daten benötigt. Natürlich nur, wenn er zu dem Zeitpunkt noch nicht aus seinem Amt entfernt wurde.
Wie man all das erreichen will, ist aber, wie gesagt, noch völlig unklar. Bei den Aussagen frage ich mich schon, ob nicht vielleicht der BKA-Präsident diese technisch unfundierten Aussagen formuliert oder wenigstens souffliert haben könnte. Für mich haben diese Aussagen also bestenfalls den Charakter von Absichtserklärungen, und was von solchen Erklärungen zu halten ist, haben wir in der Vergangenheit schon oft genug sehen können.
Bei Farlion habe ich gerade einen Link gefunden, auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung, in dem Burkhardt Hirsch, ehemaliger Vizepräsident des Bundestages und ehemaliger Innenminister von NRW, sich kritisch mit der immer weitergehenden Verschärfung der "Sicherheitsgesetze" auseinandersetzt.
Wo darf ich unterschreiben, dass ich hinter den Aussagen aus dem Artikel stehe, und zwar vorbehaltlos? Ach ja, es gilt Lesebefehl für den Artikel.