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Nachwirkungen

Da sind sie, die politischen Nachwirkungen des gestrigen Urteils gegen die Online-Schnüffelei.

Die Richter sehen sich personell nicht in der Lage, die entstehenden Datenhalden von Schnüffelmaßnahmen daraufhin zu überprüfen, ob die Daten nicht dem grundrechtlich geschützten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung entstammen, der in jedem Fall gewährleistet werden muss. Nun, ich sehe da eine recht einfache Lösung. Technisch ausgedrückt: Default Deny. Was nicht geprüft werden kann, darf auch nicht verwendet werden. Damit hätten die Schnüffelminister dann einen höchst eigenen Grund, mehr Richter einzustellen, um die Daten zu prüfen.

Dr. Dieter Wiefelspütz, der gestern bei der Urteilsverkündung als einer der Abgesandten des Bundestages zugegen war, schwafelt mal wieder davon, dass man 'die Eckpunkte des Urteils direkt in das Grundgesetz aufnehmen' sollte. Das ist allerdings meines Wissens unnötig, weil das Urteil des BVerfG bereits verfassungsrang hat. Will heißen, das neue Grundrecht mit dem sperrigen Namen 'Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme' ist genauso wirksam, als hätten die Verfassungs-Ersteller es bereits in das Grundgesetz geschrieben. Was also sollte es bringen, die Punkte nochmal explizit in die Verfassung zu schreiben, wo sie für alle praktischen Zwecke da schon stehen?

Interessant finde ich auch, dass sich der FDP-Innenexperte Max Stadler gegen die "ausufernden verdachtslosen Kontrollmaßnahmen" ausspricht. Sollte seine Partei in Zukunft an die Regierung kommen, htte er ja eine Chance, zu beweisen, dass es sich bei der Aussage nicht nur um Forderungen der Opposition handelt.

Nicht nur in Bayern, sodnern auch in Baden-Württemberg gibt es ganz offensichtlich Bestrebungen eine Bevölkerungs-Bespitzelung auf Landesebene einzuführen. Mir will ja irgendwie nicht einleuchten, welchen Sinn das haben soll, wo doch angeblich bundesweit nicht einmal 20 Fälle pro Jahr erreicht werden sollen. Da dürfte im Schnitt pro Bundesland gerade mal eine einzige Maßnahme pro Jahr anfallen. Ob diese eine Maßnahme nicht per Amtshilfe vom angeblich so kompetenten BKA abgehandelt werden kann, kann ich angesichts der völlig theoretischen Debatte auch nur mutmaßen.

Grund zur Hoffnung?

Wenn ich lese, was die Medienpolitiker in der SPD-Fraktion nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht geäußert haben, keimt eine leise Hoffnung in mir: Was die Umsetzung der Entscheidung des Verfassungsgerichtes anbelange, müsse der Grundsatz gelten: "Gründlichkeit vor Schnelligkeit", erklärte die Sprecherin der Arbeitsgruppe Medien der SPD-Bundestagsfraktion, Monika Griefahn, gemeinsam mit dem medienpolitischen Sprecher Jörg Tauss.

Dummerweise bedeutet diese Aussage noch nicht zwingend, dass die Beiden den Arsch in der Hose haben, entgegen der Fraktionsdisziplin einen Gesetzentwurf, der einfach mal wieder auf die Schnelle hingerotzt wurde, abzulehnen. Außerdem dürften zwei SPD-Abgeordnete alleine nicht geeignet sein, ein Gesetz zu verhindern. Aber immerhin ist das ein Zeichen, dass nicht jeder Abgeordnete sich von der Aussage Edythys beeindrucken lässt, dass die Abgeordneten schon brav mit den 'Fachkollegen' mitgehen würden.

Hey, Volksvertreter! Traut Euch, der Fraktionsführung auch zu zeigen, wenn die sich dumm verhält.

Verboten, aber nicht total

Lange erwartet, hat heute das Bundesverfassungsgericht das Urteil über das NRW-Verfassungsschutzgesetz verkündet.

Wie erwartet, haben die obersten Richter die Erlaubnis für heimliche Ausschnüffelungen von "informationstechnischen Systemen" einkassiert. Bei der Gelegenheit haben die Richter gleich noch ein neues Grundrecht definiert: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Dieses Recht gilt aber leider nicht unbeschränkt, so dass eine "heimliche Infiltration" von IT-Systemen erlaubt ist, "wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen. Überragend wichtig sind Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. Die Maßnahme kann schon dann gerechtfertigt sein, wenn sich noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass die Gefahr in näherer Zukunft eintritt, sofern bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall durch bestimmte Personen drohende Gefahr für das überragend wichtige Rechtsgut hinweisen."

Oder kurz ausgedrückt: Im Prinzip ist die verdeckte Schnüffelei verboten, aber bei einer konkreten Gefahr für ein "überragendes Rechtsgut" ("Leib, Leben und Freiheit der Person" oder was auch immer "die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt") ist eine heimliche Festplattenausschnüffelung doch nicht verboten. Dann gelten natürlich auch noch Hürden wie ein Richtervorbehalt, der sich in der Vergangenheit schon als besonders stumpfe Waffe erwiesen hat. (Bericht bei Golem, Heise)

Nicht nur der Bundesschnüffel- und Folterminister ist über das Urteil ganz froh, sondern auch der bayrische Schnüffelminister. Es wird sich zeigen, wie viele einfache Verbrechen zukünftig noch zu schlimmen terroristischen Anschlägen aufgeblasen werden, um dadurch alle möglichen Geräte abzuschnorcheln, die in den schwammigen Begriff der "informationstechnischen Sysdteme" reinpassen.

Positiver Nebeneffekt an dem neu definierten Grundrecht: Damit werden nicht nur Computer in Wohnungen geschützt, sondern auch Laptops und Datem im RAM. Damit sind die lautstarken Überlegungen einiger Politiker zunichte gemacht, die damit argumentiert haben, dass sich ein Rechner ja auch außerhalb einer Wohnung befinden könne, und damit völlig frei abgeschnorchelt werden dürfte.

Was bleibt ist ein Sieg gegen ein handwerklich schlechtgemachtes Gesetz und der schale Beigeschmack, dass die Schnüffelminister jetzt eine grundsätzliche Ermächtigung haben, Bürger verdeckt zu überwachen. Ich befürchte, dass die Anzahl der Überwachungen durch extensive Anwendung ohnehin schon lascher Gesetze sich bald in Richtung einer Vollüberwachung aller Bürger entwickeln könnte, die nur Wenige ausspart. Aber wer nichts zu verbergen hat... Was haben eigentlich die Schnüffler zu verbergen, wenn sie verdeckt in Systeme einbrechen wollen?

Bundeswanze: Jetzt auch mit SPD-Unterstützung

Okay, eine Überraschung ist es nicht mehr, aber dass der Sebastian Edathy (SPD, Vorsitzendee des Bundestags-Innenausschusses) jetzt schon ankündigt, dass die SPD einer Bundeswanze offen gegenüberstehen wird, finde ich dann doch dreist.

Laut Kölner Stadtanzeiger, den Heise und Golem als Quelle benennen, gibt es für Edathy drei Voraussetzungen: Die Bundeswanze müsste "technisch machbar und verhältnismäßig sein und dürfte nur unter rechtsstaatlicher Kontrolle" eingesetzt werden.

Zur technischen Machbarkeit kann ich nicht viel sagen, aber nachdem die Bundeswanze angeblich schon fertig sein soll, dürfte das ja wohl kein Problem darstellen.

Was der Innenpolitiker sich unter dem Stichwort "verhältnismäßig" vorstellt, darüber darf man wohl rätseln. Immerhin soll ja angeblich über irgendwelche Pseudosicherheitsmaßnahmen sichergestellt werden, dass die Fahnder nur solche Daten erhalten, die sie für die jeweilige Aufgabe benötigen würden. Ich sage dazu nur soviel: Ich vertraue den BKA-Schnüfflern jedenfalls nicht.

Die "rechtsstaatliche Kontrolle", die Edathy fordert, wird wohl der hochgelobte Richtervorbehalt sein, der ja noch nicht einmal geeignet ist, rechtswidriege Hausdurchsuchungen zu verhindern. Bei Richtern, die sich offensichtlich nicht einmal die Mühe machen, sich mit den vorgelegten Verdachtsmomenten zu befassen, ist davon auszugehen, dass man als 'braver Bürger' nichts tun kann, um sich vor einem Eingriff in die Privatsphäre in Form eines Schnüffelprogramms (oder Hardware-Keylogger oder ähnliche Maßnahmen) sicher zu schützen. Soviel zu dem "Wer nichts zu verbergen hat"-Gebrabbel einiger Unwissender.

Die Aussagen Edathys gewinnen dadurch an Sprengstoff, dass morgen, am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zu der Verfassungsbeschwerde gegen das NRW-Verfassungsschutzgesetz verkünden will. Wenn die letzte Schutzinstanz für die Verfassung in diesem Land eine Online-Abschnorchelung nicht grundsätzlich verbietet, werden mindestens das BKA-Gesetz durch die große Koalition abgenickt, sowie ein entsprechendes Landesgesetz für Bayern noch schnell vor der dortigen Landtagswahl durchgedrückt.

Ich hoffe ja noch, dass das Bundesverfassungsgericht nicht nur das NRW-Gesetz mit einem kraftvollen Tritt in die Mülltonne verfrachtet, sondern den Spionagewünschen des Bundesschnüffelministers sowie des Bayrischen Schnüffelministers einen Riegel vorschiebt. Grund genug dafür gäbe es aus meiner Sicht jedenfalls.

Ein interessantes Interview findet sich bei tagesschau.de mit der ehemaligen Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger, die zurückgetreten ist, weil sie den großen Lauschangriff nicht mittragen wollte. Ob in der eutigen Regierung auch nur eine einzige Person genug Arsch in der Hose hat, sich an der FDP-Politikerin ein Beispiel zu nehmen, daran glaube ich nicht.

gar nicht so kompliziert

Ich habe mich dann mal mit den Unterlagen für die Bürgerschaftswahl befasst, die hier morgen stattfindet. Insgesamt hat jeder Bürger 12 Stimmen, aber die Verteilungsmöglichkeiten finde ich nicht so besonders schwierig:

Erstmal muss man wissen, dass gleichzeitig Wahlen zur Bürgerschaft (entspricht Landtagswahlen in anderen Bundesländern) und zur Bezirksversammlung (Kommunalwahlen) stattfinden.

Bei jeder der beiden Wahlen gibt es jeweils eine Stimme für die Landeslisten der kandidierenden Parteien und jeweils fünf Stimmen für bestimmte Kandidaten (oder wieder eine Gesamtliste). Hier fängt dann auch die Möglichkeit an, die unter den Begriffen "kumulieren und panaschieren" läuft: Die fünf Stimmen kann man in einer Zeile (Kandidat oder Liste) abgeben (=kumulieren) oder auf verschiedene Zeilen verteilen (panaschieren). Dabei sollte man auf keinen Fall mehr als fünf Kreuze auf dem "Wahlzettel" machen. Ein "Wahlzettel" besteht nun unpraktischerweise aus mehreren Seiten im Wahlbuch, die alle die gleiche Papierfarbe haben.

Da gibt es gelbe, pinke, grüne und blaue Seiten, die alle unterschiedliche Bedeutungen haben: Gelb sind die Landeslisten für die Bürgerschaft, pink die Einzelkandidaten für die Bürgerschaft. Grün und blau sind dann die jeweiligen Farben für die Bezirksversammlung.

Um zu verstehen, wie das neue, angeblich verbesserte, Wahlsystem funktioniert, habe ich innerhalb von fünf Minuten verstanden, in denen ich durch das Wahlbuch geblättert habe. Jetzt muss ich mich nur noch entscheiden, wer meine Stimmen erhalten soll, aber darüber schreibe ich dann keinen Blogeintrag.

Angriff

Einen Angriff, und zwar auf die Demokratur gibt es (mal wieder) zu verzeichnen. Dieses Mal allerdings ausnahmsweise nicht vom Folterminister, sondern vom Innenstaatssekretär Hanning. Der betont mal wieder, dass man doch ganz doll dringend Videoüberwachung in den Wohnungen mutmaßlicher Terroristen machen muss. Sonst werden wir alle sterben!!1111

Er findet es "außerordentlich hilfreich", wenn die Ermittler potenzielle Täter "nicht nur akustisch überwachen sondern auch beobachten könnten". Tja, ich finde es außerordentlich sinnig, dass derartige Beschnüffelung nach der aktuellen Gesetzeslage nicht erlaubt ist. Noch.

Dem sprichwörtlichen Fass schlägt er dann aber die Krone ins Gesicht[1], wenn er so einen Satz von sich gibt: "Wir sollten etwa darüber nachdenken, ob es noch zeitgemäß ist, dass drei Täter zusammenkommen müssen, um den Straftatbestand der Bildung einer terroristischen Vereinigung zu erfüllen". Wie viele Menschen soll es denn seiner Ansicht nach brauchen, um eine wie auch immer geartete Vereinigung darzustellen? Zwei? Eine? Gar keine? Die Erfahrung zeigt doch, dass der berühmte Terroristenparagraph 129a jetzt schon massiv strapaziert wird, indem er für Vereinigungen eingesetzt wird, die man nur mit einem ganz verschrobenen Weltbild als terroristisch bezeichnen kann. Eine Verschärfung dieses Paragraphen dürfte also zu noch mehr Rechtsbeugungen führen. Mehr Sicherheit fällt dabei aber nicht ab.

[1] Ja, ich habe zwei sprachliche Bilder ganz bewusst gemischt.

Daten für Alle?

Wie es aussieht, wird wohl so ziemlicher Bob und sein Onkel auf die Daten des Bundesmelderegisters zugreifen dürfen. Und einen großartigen Primärschlüssel hat's dort auch: Die neue Personenkennziffer einheitliche Steuernummer. Und natürlich dient der Datenberg ausschließlich der Terrorbekämpfung Steuerfahndung Strafverfolgung Überwachung aller Bürger. Aber eine Ausweitung der Anwendungsmöglichkeiten kann natürlich nicht ausgeschlossen werden. Es wäre ja auch schlimm, wenn Raubmordkopierterroristen nicht verfolgt werden könnten. Oder irgend welche imaginären Terroristen. Oder sonstwer. Außerdem kann es doch nicht sein, dass "wir" nicht alles tun, was technisch möglich wäre, um mal wiederzugeben, was Frollein Doof unsere Kanzlerin ja immerhin auch schon betont hat. 

Weiterentwicklungsmöglichkeiten sehe ich auch schon für den Datenberg: Gendaten, eine Nutzung für die Medienrechteverwerter, natürlich in Verbindung mit der Vorratsdatenspeicherung... Weitere Möglichkeiten lassen sich natürlich nicht ausschließen, wir leben ja in einem Überwachungsstaat. Spätestens, wenn solche Gesetze beschlossen werden.

vormerken

Holt eure Kalender raus und markiert euch mal den 27.2.2008. Da soll das Bundesverfassungsgericht nämlich verkünden, was es von der verdeckten Online-Schnüffelei hält. Ich bin gespannt.

Demokratur continued

Nein, das Wahlcomputer-Thema ist noch nicht vorbei. Gerade gab es bei Trackback einen Beitrag, in dem der hessische Landeswahlleiter die privaten Wahlbeobachter angezweifelt hat. Klar, die sind nicht von der OSZE oder ähnlichen Organisationen geschickt worden, aber als interessierte Öffentlichkeit haben sie trotzdem das Recht, die Wahl zu beobachten.

Und wie chaotika bei Holgi geschrieben hat, sieht es auch gut aus mit einer Rechtsgrundlage, wenn man in Hessen den Aufbau der Wahlcomputer beobachten will. Damit steht das Verhalten des Wahlvorstandes in Obertshausen auf noch tönernen Füßen. Warum nur überrascht mich das alles nicht?