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SWIFTes Ja

Oh, wow! Die "Freiheitsstatue" der Republik hat ja lange gehalten. Heute, gerade mal zwei Monate nach der Wahl ist nicht mehr viel von den Versprechen übrig: Der Innenminister Thomas de Maizière hat sich bei der Abstimmung über das SWIFT-Abkommen enthalten. Damit kann dann wohl einen Tag vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags, mit dem das EU-Parlament ein Veto-Recht gegen den Vertrag bekommt, der Quatsch noch schnell durchgewunken werden. Wäre ja auch echt unpraktisch, wenn die USA-Fahnder nicht beliebig in den Überweisungsdaten rumschnüffeln dürften... Warum lese ich eigentlich nichts von der Justizministerin? Ist Frau Leutheuser-Schnarrenberger etwa mit Bauchschmerzen im Bett geblieben?

Hotte will nicht zensieren

Damit hatte ich nicht gerechnet. Offenbar hat unser Bundespräsident Hotte Köhler Bedenken gegen die Zensur. Das koalitionäre Geschwafel, dass man das Gesetz gar nicht nutzen wolle, kann damit dahingestellt bleiben, denn es tritt so schlicht nicht in Kraft. Ausnahmsweise hat der Bundes-Köhler damit ein Gängel-Gesetz abgelehnt.

Beim Nachlesen fällt mir auf, dass rein formal Köhler das Gesetz nicht als offensichtlich verfassungswidrig ablehnt, sondern 'noch Fragen' hat. Da mutmaßen dann einige Kommentatoren, dass er der Regierung eine Chance geben wolle, den verfassungsrechtlich äußerst bedenklichen Weg der Nichtausführungsanordnung zu verhindern. Rein formal sollte das aber eigentlich keine Auswirkung haben. Jetzt hat jedenfalls die Regierung eine Chance, das Gesetz praktisch unter Umgehung des Parlaments zu stoppen. Dabei hätte Köhler das Gesetz ja schon formal ablenken müssen (weil das Gesetz zwischen erster und zweiter Lesung zu sehr verändert wurde, weil der Bund für Internetzensur gar keine Gesetzgebungskompetenz hat, und eigentlich auch wegen des Inhalts, auch wenn er da kein Prüfungsrecht hat).

politisches Erdbeben

Für die Nachwelt (und den Jahresrückblick): Heute vormittag ist Franz-Josef Jung zurückgetreten, nachdem gestern bekannt geworden war, dass die Afghanistan-Bombardierung laut einem internen Bericht des Verteidigungsministeriums völlig unangemessen war.

Und Nachfolger ist eine gewisse Zensursula von den Leyen. Deren Ministerium übernimmt dann "die hessische CDU- Abgeordnete Kristina Köhler" (dpa-Ticker). Muss man wahrscheinlich nicht kennen.

Afghaniheimnis

So ganz nebenbei ist heute die Meldung zum Aufreger des Tages geworden, dass im Bundesverteidigungsministerium ein Bericht zurückgehalten wurde, der die Bomben auf die zwei Tanklaster recht deutlich kritisiert. In der Folge der Veröffentlichung ist der Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan auf dessen Bitte entlassen worden. Schneiderhan hatte noch kürzlich auf Basis eines geheimen Berichts behauptet, die Bombadierung sei in Ordnung gewesen.

Jetzt muss wohl geklärt werden, wer alles über den zurückgehaltenen Bericht und dessen Inhalte wusste. Wenn der ehemalige Verteidigungsminister Jung den Bericht gekannt haben sollte, wäre er jedenfalls als Minister nicht mehr zu tragen.

Maut-Entheimnis

So eine Unterraschung aber auch! Da sind Dokumente zur Maut geleakt. Und da stehen Details drin, mit denen klar wird, warum der Vertrag zwischen Bundesregierung und Troll Toll Collect strengst geheim gehalten wurde.

Die Kosten, die die Regierung (also letztlich wir Steuerzahler) an Toll Collect zahlt, sind schon happig: 511.000 Euro kostet laut Heise eine dreispurige Mautbrücke, 24,8 Millionen darf Toll Collect einnehmen für laufende Softwareanpassungen. Pro Jahr. Da frag ich mich doch, ob für den Betrag ständig die Siftware neu geschrieben wird. Um eine Brücke wieder loszuwerden, stehen 30.500 Euro an, und die Abrechnungssoftware kann bei jährlichen Kosten von 150 Mio nur noch vergoldete Vergaserinnenbeleuchtungen enthalten. Aber der Staat, also wir Steuerzahler haben's ja. Kann ich eigentlich für meine Steuerzahlungen eine Spendenquittung bekommen?

Zenbulshytta

Manche Meldungen machen aggressiv. Die hier gehört für mich dazu. Da hat sich also Zensursula mal wieder bequemt, heißen Bulshytt von sich zu geben.

Die 'Netzgemeinde' soll sich noch stärker an der Diskussion beteiligen, und die Debatte sei also "hoch interessant". Also in Sachen 'Netzgemeinde' hab ich mir das bestimmt nur eingebildet, aber ich hatte eigentlich gedacht, das Nein sei laut genug gewesen. Und die 134.000 Unterzeichner der Petition gegen das Gesetz waren nun auch nicht gerade wenige Leute.
Dann will Zensursula "diskutieren in den Foren, in den Blogs. Wir lernen daraus, was passiert ist, aber wir ziehen uns nicht in den Schmollwinkel zurück. Die Metaebene, die grundsätzliche philosophische Diskussion, müssen und wollen wir miteinander führen." Komisch, ich habe die Frau noch kein einziges Mal dabei ertappt, dass sie auf Argumente der Zensurgegner eingegangen wäre. Stattdessen hat sie vor der Wahl immer nebulös von irgend welchen ungenannten Ländern gefaselt, in denen die Vergewaltigung von Kindern nicht geächtet sei. Nur genannt hat sie schon länger keine Länder mehr, nachdem sie mit Indien ein Land erwähnt hatte, in dem jegliche Pornografie illegal ist, und auch schon seit 2007 ein Gesetz gegen 'Kinderpornos' existiert.

Und dann schwafelt die Ministerin wieder davon, dass bestimmt Bilder nicht gelöscht werden könnten. Dass das vielleicht an der etwas großzügigen Definition von Kinderpornografie liegen könnte, unter die eben nicht nur Dokumentationen von Vergewaltigungen fallen, das hat die Ministerin bestimmt nur vergessen zu erwähnen. Als pure Ironie lese ich den letzten Satz der Meldung, in dem Zensursula sagt: "Weggucken kann jetzt keiner mehr." Außer ihr fordert das ja kaum jemand. Aber gut, dass wir nicht darüber geredet haben.

Zensursulations-Details

netzpolitik weisst auf Informationen hin, die irgendwie aus der Gerichtsverhandlung an die Öffentlichkeit gelangt sind, mei der in Wiesbaden gegen VodaFail/Arcor wegen der Zensur-Einführung verhandelt wurde. Ich zitier mal die Kurzfassung:

* Die Sperrinfrastruktur steht sowohl bei den Providern als auch
beim BKA: “»Die Fachabteilung kann jederzeit loslegen«”.
* Um Inhalte zu löschen, will das BKA per Fax Kontakt zum technischen Ansprechpartner aufnehmen, der für die Domain bei der Registrierung angegeben wurde. Dann muss die Löschung aber auch erfolgen, sonst müsse man “»davon ausgehen, dass hier strafbares Handeln gewollt ist«”.
* Das BKA ist dabei, durch Hinweise, eigene Recherchen und andere Quellen eine Sammlung von Adressen für die künftige Sperrliste aufzubauen.
* Die Adressen auf den Sperrlisten will das BKA nach eigenem Bekunden “»täglich neu evaluieren«”.

Da hängt jetzt also die Zensur nur noch davon ab, ob irgend jemand in der Regierung den Auftrag dazu gibt. Wer nicht zensiert werden will, soll sich gefälligst beim BKA als Webseitenbetreiber registrieren oder im Whois eingetragen sein. Und natürlich bereit sein, Inhalte seines Webauftritts auf Zuruf zu löschen, inklusive der Gefahr, dafür dann von einem Gericht belangt zu werden, wenn man dabei vielleicht noch Beweise vernichten würde. Aber das ist wohl so gewollt.

eGKeldverschwendung

Die 'elektronische Gesundheitskarte' ist tot. Heise:

Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) wird weiter ausgegeben, doch ihre Funktionen werden weiter eingeschränkt. Das elektronische Rezept, mit dem eigentlich Milliarden durch "medienbruchfreie Kommunikation" gespart werden sollen, wird es in der geplanten Form nicht geben. Übrig bleiben der online aktualisierte Versichertenstammdatendienst (VSDD), das Foto auf der Karte und, als freiwillige Anwendung für die Versicherten, die Anlage eines "Notfalldatensatzes".

Warum Milliarden aus dem Fenster geworfen werden, ist mir schleierhaft. Die neue Karte hat also ein Foto draufgedruckt und die Daten kann man mehr oder weniger selbst aktualisieren. Das klingt mir nach massiver Geldverschwendung. Haben wir im Gesundheitssystem irgendwie zuviel Geld?

Bundeslöschministerium

Über das Bundeslöschministerium hab ich mich ja noch gar nicht lustig gemacht... Das Bundesumweltministerium hat Broschüren, die sich kritisch mit Atomkraftwerken befassen, aus dem Internetangebot entfernt, das dann komisch begründet, und nach Hinweis auf die entdeckte Lüge die Broschüren heute wieder ins Netz gestellt.

Konkret ging es um die Broschüren 'Atomkraft – Ein teurer Irrweg – Die Mythen der Atomwirtschaft' und die Unterrichtsmaterialien für die Schule mit dem Titel “Einfach abschalten?”, die nach der Wahl irrelevant aus dem Netz genommen wurden. Als Begründung durfte dann herhalten, dass offline vergriffene Broschüren auch online gelöscht werden würden und alle Broschüren, in denen der vorherige Minister im Vorwort mit Foto gefeatured wird, automatisch nach Regierungswechsel aussortiert werden.
Dummerweise stimmt Beides bei anderen Broschüren nicht.

Heute hat Markus dann nochmal nachgefragt, und auf die Unwahrheit der Behauptungen hingewiesen. Auf einmal waren die Broschüren dann doch wieder relevant online verfügbar. Schon komisch.

Überwachungsforderung aus Bayern

Der bayrische Innenminister Herr Mann Joachim Herrmann will mal wieder Überwachungsaktionismus betreiben: Alle Bahnhöfe sollen total-video-überwacht werden, uniformierte Polizisten kostenlos mit der Bahn fahren dürfen. Das soll dann Gewalttäter abhalten.

Vielleicht könnte mal jemand Herr Mann mal erklären, dass Überwachungskameras Straftaten nur um ein paar Meter verlagert. Dann werden die Opfer eben ein paar Meter außerhalb der Bahnhöfe zusammengeschlagen. Ob das dann jemandem hilft, wage ich mal zu bedreifeln. Viel eher würde man Opfern helfen, indem man sich um potenzielle Täter kümmert, aber eben nicht, indem man die einsperrt, sondern indem man sich um ihre Probleme kümmert. Aber das sind wohl Ideen, auf die ein Herr Mann partout nicht kommt.

Wahlstift-Hack gerichtlich bestätigt

Die Meldung hatte ich zwar schon bei Fefe gesehen, aber noch gar nicht verlinkt: Der Chaos Computer Club hat vor Gericht gegen den Hersteller des Wahlstifts gewonnen. Der Hersteller wollte dem Club die Behauptung verbieten, der Wahlstift sei gehackt worden.

Beim Wahlstift ging es um die Idee, dass jeder Wähler sein Kreuz mit einem Stift machen sollte, der anhand kleiner Muster auf dem Papier die Position erkennen soll, an der das Kreuz gemacht wurde. Nun bekamen die Hacker keinen Zugriff auf die Offiziellen Stifte (oder nur mit Maulkorb, was sie abgelehnt haben). Zur Erkennung der Schreibposition gibt es auf dem Markt ein patentiertes System der Firma Anoto, an dem die Hacker dann einen Angriff vorführen konnten. Einerseits haben sie damit nicht den Offiziellen Wahlstift angegriffen, aber andererseits alle Systeme, deren Positionserkennung die patentierte Technologie verwendet. Und das tut offenbar auch der Wahlstift. Im Ergebnis dürfen also die Hacker gerichtlich bestätigt vom Hack des Wahlstifts berichten.
Und Das Ist Auch Gut So.

VauZett-Anzeige

Im heute aufgenommenen Podcast hab ich noch laut darüber nachgedacht, und jetzt ist es passiert: Der Strafverteidiger, des angeblichen Datenklau-Erpressers der SchülerVZ-Betreiber hat Strafanzeige gegen VZnet-Mitarbeiter gestellt. Wenn es, wie in der vergangenen Woche bberichtet wurde, bereits einen Vertragsentwurf zwischen dem 'Täter' und den VZ-Leuten gegeben haben sollte, dann ist zumindest nicht offensichtlich, worin denn die Erpressung des 'Täters' bestanden haben soll, wegen der er beschuldigt wurde.

Es wäre zu hoffen, dass die VZ-Leute den Eltern des 'Täters' glaubwürdig(!) Beileid aussprechen. Und, wenn sie strafrechtlich relevantes Fehlverhalten begangen haben, gehören sie dafür bestraft. Das wird nun hoffentlich überprüft.

Berlin neugierig

Dass es einige Firmen mit dem Datenschutz ihrer Angestellten nicht so genau nehmen, ist ja bekannt. Wenn ich dann aber lese, dass Angestellte des Landes Berlin einen Fragebogen vorgelegt bekommen,


in dem detaillierte Angaben zu psychischen Krankheiten, Drogenkonsum, Alkoholgenuss und sogar Verhütungsmitteln verlangt werden. Zudem müssten Bewerber alle behandelnden Ärzte, Psychologen und Heilpraktiker nennen, sowie alle psychischen Erkrankungen "mit Zeitangabe" und sogar Entbindungen auflisten

Dann wundert mich nicht, dass Firmen der Datenschutz völlig egal ist. Die erfragten Informationen gehören ja nun offensichtlich zum Kernbereich der privaten Lebensführung, der noch nicht mal bei einem großen Lauschangriff abgeschnorchelt werden dürfte. Insofern hat da auch kein Arbeitgeber seine dreckige Nase reinzustecken. Dass der Bericht gerade das Land Berlin betrifft, fällt dann wohl nur noch in die Kategorie Ironie. Aber wer nichts zu verbergen hat...

Update: Die Meldung ist inzwischen auch bei der FR zu finden

Mafia-VDS

Da wird doch Einiges klarer. Zur mündlichen Verhandlung der Beschwerde gegen die verdachtsunabhängigen Verbindungsvorratsdatenspeicherung (VDS) nächsten Monat, hat das Bundesverfassungsgericht auch Mafia-Vertreter geladen. Der Grund dafür findet sich in einem Brief, den der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Bundesverband Musikindustrie an das Gericht geschrieben haben. Darin verlangen die Mafia-Vertreter nach der Vorratsdatenspeicherung, weil sie ja sonst nicht wirksam gegen Raubmordterrorkopierer vorgehen könnten. Oder anders ausgedrückt: Anstatt sich darüber Gedanken zu machen, wie man potenzielle Kunden mit attraktiven Angeboten locken könnte, verlegt sich die Mafia nur noch darauf, Personen verfolgen zu wollen, die gegen das Urheberrecht verstoßen. Dass dafür eine Infrastruktur zur Volküberwachung der Bürger benötigt wird, nehmen die Mafia-Vertreter billigend in Kauf.

Ich vermisse in dem bunten Mafia-Reigen ja etwas die Film-Mafia. Aber vielleicht sind die noch zu sehr damit befasst, über die Zensur-Infrastruktur zu sabbern, um sich mit so etwas schnödem wie der Vollüberwachung zu befassen. Das heißt nur nicht, dass sie das nicht auch noch verlangen werden.