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Lesestoff des Tages

Ich bin mal so frei, auf diesen äußerst lesenswerten offenen Brief des Herrn Sixtus an die Verleger zu verweisen. Und dem meine Zustimmung zu bekunden.

Und, nachdem Herr Sixtus bekundet hat, dass der Text republiziert werden soll, bin ich mal so frei...

Liebe Verleger,

das tut jetzt vielleicht ein wenig weh, aber einer muss es mal deutlich sagen: Euch hat niemand gerufen! Niemand hat gesagt: “Mein Internet ist so leer, kann da nicht mal jemand Zeitungstexte oder so was reinkippen?“ Ihr seid freiwillig gekommen, und ihr habt eure Verlagstexte freiwillig ins Web gestellt. Zu Hauf. Und kostenlos. Ihr nehmt keinen Eintritt für die Besichtigung eurer Hyperlink-freien Wörterwüsten, weil ihr genau wisst, dass niemand dafür Geld ausgeben würde. Ihr habt seriöse und un- seriöse SEO-Fritzen mit Geld beworfen, damit Google eure Seiten besonders lieb hat. Ihr seid ohne Einladung auf diese Party gekommen. Das ist okay, ihr könnt gerne ein wenig mitfeiern. Prost! Aber wisst ihr, was gar nicht geht? Dass ihr jetzt von den anderen Gästen hier Geld kassieren wollt. Sogar per Gesetz. Verleger: geht’s noch?

Bitte unterbrecht mich, falls ich etwas falsch verstanden habe mit diesem “Leistungsschutzrecht“, was gut sein kann, denn logisch ist das alles bestimmt nicht. Ihr wollt eine Art Steuer kassieren für all die Arbeit, die es bereitet, Texte online zu publizieren. Das ist die Leistung, die geschützt und bezahlt werden soll. Nicht etwa die Texte selbst sind es, für die ihr honoriert werden wollt, sondern das Zusammentragen und online stellen. Richtig? Wo und wie dieses Geld eingesammelt werden soll, ist zwar noch nicht ganz klar, aber immerhin habt ihr da schon ein paar Ideen. Vielleicht aber könnte man dazu auch Wahnvorstellung sagen. Einer dieser Einfälle, der ein wenig nach Megalomanie, Irrwitz und gekränktem Narzissmus schmeckt, lautet: News-Aggregatoren sollen zahlen. Also Angebote wie Google News. Dafür, dass sie diese Textschnipselchen anzeigen, die als Hyperlinks dienen, die zu euren Verlagsangeboten führen. Google spült euch die Hälfte eurer Besucher auf die Seiten und jetzt sollen sie dafür bezahlen? Das ist in etwa so, als würde ein Restaurantbesitzer Geld von den Taxifahrern verlangen, die ihnen Gäste bringen.

Dann ist da noch die Idee, gewerbliche Computernutzer zur Kasse zu bitten. Pauschal und auf Verdacht. Denn sie könnten ja irgendwie davon profitieren, dass ihr umgeklöppelte Agenturmeldungen, Oktoberfest-Bilderklickstrecken und überlaufende Inhalte eures Print-Redaktionssystems ins Web pumpt. Eine Verleger-GEZ wollt Ihr euch zusammenlobbyieren. Einerseits. Auf der anderen Seite droht ihr mit rituellem Selbstmord, wenn die gebührenfinanzierte Tagesschau eine iPhone-App bereitstellt. Wie geht das zusammen? Die Öffentlich-Rechtlichen sind aufgrund ihrer Gebührenfinanzierung eure erklärten Todfeinde, andererseits wollt ihr euch in gebührenfinanzierte Verleger verwandeln? Ja habt Ihr denn überhaupt keinen Stolz?

Die Gewerkschaften habt ihr schon auf eurer Seite. Das ist kein Wunder. Gewerkschaften sind in etwa so fortschrittsfreudig wie die Taliban. Hätte es sie damals schon gegeben, wären sie sicherlich auch gegen die Einführung des Buchdrucks gewesen, da er schließlich zu Arbeits- platzabbau in den klösterlichen Schreibstuben führt. Und die schwarz-gelbe Regierung hat ein wie auch immer geartetes Leistungsschutzrecht sogar schon in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Das ist ebenfalls kein Wunder, schließlich hat sich die politische Elite mit der alten Medien-Oligarchie prima arrangiert. Man kennt sich und weiß sich zu nehmen.

Der CTRL-Verlust-Blogger Michael Seemann hat den hübschen Begriff “Leistungsschutzgeld“ erfunden. Eigentlich wollt ihr auch ein “Leitungsschutzgeld“: Wer beruflich eine Internet-Leitung hat, soll zahlen, zu eurem Artenschutz. Wisst ihr was, Verleger? Haut doch einfach ab aus dem Web, wenn es euch hier nicht gefällt. Nehmt eure Texte mit und druckt sie auf Papier oder schickt sie meinetwegen per Fax weg. Denn: Euch hat niemand gerufen.

Update: Gibt's jetzt auch vorgelesen (mp3).

Verfassungswidrichter

Ich hoffe mal, bei dieser Meldung handelt es sich um eine Falschmeldung. Laut der will der Bundesverfassungsrichter Kirchhoff, dass das Grundgesetz geändert wird, damit die Bundeswehr im Landesinneren eingesetzt werden kann. Dass ist ja auch völlig grundlos da reingeschrieben worden. Für mich hat sich der stellvertretende Präsident des BVerfG damit jedenfalls völlig disqualifiziert.

Zensungarn

Staaten, die Zensurmöglichkeiten einführen, sind längst nicht mehr nur die Diktaturen. Immerhin haben auch die bisher nicht als Diktaturen geltenden Staaten USA und Frankreich Mittel zur Zensur eingeführt (Domainabschaltung und COICA in USA, LOPPSI2 in Frankreich). Dass wir in Deutschland immer noch das Zensursula-Gesetz haben, und über die EU Censilia droht, ist auch nicht neu. Neu ist aber, dass in Ungarn ein Mediengesetz eingeführt wird, womit als Jugendschutz/Medienregulierung auch Webseiten zensiert werden können. Ich Frage mich ja immer mehr, wovor die verschiedenen Regierungen Angst haben, dass sie das Internet zensieren können wollen. Für Zu- und Einzelfälle sind mir das jedenfalls viel zu viele Fälle.

Vernichtschlüsselt

Bekanntlich verkauft uns die Regierung De-Mail als ganz toll sichere E-Mail. Dass dabei keine richtige Verschlüsselung, also Ende-zu-Ende, enthalten ist, ist sogar den Leuten im Bundesrat aufgefallen, die das angemerkt haben. Darauf reagiert die Bundesregierung so:

"Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gefährdet das gesamte Ziel von De-Mail, die einfache - und ohne spezielle Softwareinstallation mögliche - Nutzbarkeit durch die Bürger", heißt es in der Erwiderung. Damit sich eine sichere E-Mail-Kommunikation möglichst schnell verbreite, solle De-Mail für den Anwender möglichst einfach zu nutzen sein. Daher werde bei De-Mail bewusst darauf verzichtet, dass der Anwender zusätzliche Installationen auf seinem Computer vornehmen muss.

Die Vermutung, dass die Schnüffelschnittstelle ohne Verschlüsselung einfach besser funktioniert, ist auch hier wieder völlig abwegig. Ich würde dem Dienst jedenfalls keine wichtigen Daten anvertrauen.

unabhängig geurteilt?

Als vor kurzem ein US-Gericht geurteilt hat, der Teil der US-Gesundheitsreform, der eine Krankenversicherungspflicht für Jeden vorschreibt, für verfassungswidrig geurteilt. Und heute lese ich, dass eben dieser Richter für Gegner der Gesundheitsreform arbeitet. Die Vermutung, dass Urteil und sein Neben(?)job einen Zusammenhang haben, ist bestimmt ganz abseitig. Das kennen wir doch von unseren Polit-Experten.

ZensUSA

Bekanntlich hat in USA die Sprech-Freiheit ('Freedom of Speech', nicht nur Meinungsfreiheit) einen Platz in der Verfassung, und zwar durch den ersten Verfsssungszusatz. Da würde man meinen, dass eine Zensur praktisch nicht möglich sein sollte. Stimmt nur nicht. Da werden schon mal Domainnamen 'beschlagnahmt', weil auf den Seiten dahinter gefälschte Produkte zu finden waren, oder gar eine Torrent-Suchmaschine. Und seit gestern ist aus dem Netz der US-Luftwaffe auch der Zugriff auf die Webseiten diverser Verlage nicht mehr möglich. Dass das ausgerechnet die Verlage sind, die die Diplomaten-Briefchen veröffentlichen, die per Wikileaks rausgekommen sind, wird bestimmt nur ein Zufall sein. Lustig wird es, wenn man sich eine Rede der US-Außenministerin Clinton vom Januar zu Gemüte führt, in der sie noch für eine Umgehung politischer Zensurmaßnahmen war. Ich fibde es schon komisch, dass ein unzensierter Netzzugang zwar für Chinesen gefordert wird, aber den US-Soldaten nicht eingeräumt werden soll. Bessere Argumente für ihre Zensur können sich die Chinesen doch fast nicht wünschen. Es ist schon beschämend, dass so wenige Medien sich für die Pressefreiheit einsetzen, wie es in diesem Appell mehrere Zeitungen tun.

Kindernet-Stopp

Ach, guck. In NRW ist dann sogar der SPD aufgefallen worden, dass das Kindernet eine dämliche Idee ist. SPD und Grüne wollen offenbar den JMStV ablehnen. Dass das vielleicht damit zu tun haben könnte, dass sie ohnehin keine Mehrheit für den JMStV gehabt hätte, ist bestimmt ein ganz böses Gerücht.

Update: Aus der Ecke merkbefreit: Der Problembeck droht als Reaktion auf das Nein der CDU noch mit Sperrverfügungen, also Zensur. Was passiert wohl, wenn jemand dem verrät, dass selbst die SPD in NRW das unsinnige, juristisch völlig unklare Gesetz nicht mehr haben will? Hat der überhaupt mal jemanden gefragt, was dieses dämliche Gesetz bedeutet? Oh, ich vergaß. So etwas tut man ja nicht als Ministerpräsident.

JMStV-Update: NRWirr

Das KLONK-Geräuch gerade war mein Unterkiefer, der auf dem Tisch gelandet ist. Und zwar beim Lesen dieser Meldung von netzpolitik.org. Kurz: Wie es aktuell aussieht, könnte der Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV, auch gerne Kindernet genannt) von einer Koalition aus CDU, FDP und Linken verhindert werden. Weil die Minderheitsregierung aus SPD (für Kindernet) und Grünen (eigentlich dagegen, Fraktion faselt von politischen Zwängen) eben gerade nicht eine Mehrheit haben im Landtag. Offiziell haben die Grünen sich noch nicht festgelegt, es ist also noch möglich, dass die auch noch realisieren, dass die Zwänge gar nicht so schwer zu ignorieren sind. Wenn die anderen drei Fraktionen geschlossen gegen das Kindernet stimmen sollten, wäre es jedenfalls für SPD und Grüne mehr als peinlich, dass das sinnlose Gesetz gegen die abgelehnt würde. Es bleibt unerwarteterweise in Sachen JMStV spannend.

Guttenreise

Gestern hat der Bundeskriegsgelminister mal einen Kurzbesuch in Afghanistan abgehalten. Das alleine wäre ja noch unspektakulär. Auffällig wird das dadurch, dass er sein Weibchen, Ponosteffi und den TV-Moderations-Simulanten Johannes Baptist Kerner dabei hatte. Okay, da macht der Guttenberg also Werbung für sich selbst. Als Begründung faselt er dann davon, er wollte den Soldaten 'die Anerkennung und Aufmerksamkeit zu verschaffen, die sie verdienten'. Das heißt also, Guttenberg findet, die Soldaten haben weder Anerkennung, noch Aufmerksamkeit verdient. Oder er hat massive kognitive Dissonanz. Ich habe mich noch nicht entschieden, was ich schlimmer finde.

IGEL igelt los

Heute startet IGEL, eine Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht. Nachdem ich schon lange keinen Hehl daraus mache, wie wenig ich von dem Sonderrecht von Papierverlagen halte, finde ich es gut, dass sich hier eine Argumentationsliste zum Verlegerschutzrecht eingefunden hat. Argumentativ unterstützt auch Thomas Knüwer die Initiative und vergleicht das Leistungsschutzrecht mit den alten Ruhrbaronen, die durch ihre Verweigerungshaltung verhindert haben, dass sich das Ruhrgebiet aus der Phase des Kohlebergbaus weiterentwickeln konnten. Ähnlich versuchen die Verlage die Entwicklung der Presse von papiergebundenen Zeitungen weg zu verhindern. Aber das schreibt er ausführlicher.

Kirchenaufregung

Dass die Vollidioten der katholischen Kirche Probleme mit Missbrauchsfällen haben, war ja schon bekannt. Genauso bekannt war, dass die Trottel so ganz und gar kein Interesse an einer Aufklärung der Fälle hatten. Was ich noch nicht wusste: Wie sehr die Ärsche im Vatikan auf die Opfer geschissen haben. Wie sich herausstellt fanden die Vatikan-Bürokraten das gar nicht lustig, dass in Irland die Aufklärer der dort über Jahrzehnte systematisch durchgezogenen Misshandlung von Kindern es gewagt hatten, nicht den langen Dienstweg einzuhalten. Weil, müsst ihr wissen, der Dienstweg ist ja viel wichtiger als die Aufklärung von jahrzehntelanger Misshandlung von Kindern. Solche bürokratisten-Arschlöcher habe ich ja geffressen. Aber der Herr Ratzepapst hat die ja bestimmt alle entsorgt, weil ihm ja das Wohl der Kirche die Aufklärung aller Missbrauchsfälle so wichtig ist. Und auch solche Meldungen stecken in der Diplomaten-Post. Aber dem Spongel war ja wichtiger zu melden, dass die Regierung inkompetent ist.

Update: Beim Guardian gibt es sowohl Bericht als auch Depesche.

Bunterschrift

Das hab ich gestern ja noch gar nicht angemessen gewürdigt: Der Bundeswuffipräsident hat in seiner schier unermesslichen Weisheit das Gesetz unterschrieben, mit dem die AKW-Laufzeiten (genauer: die Energiemengen, die die AKWs erzeugen dürfen) verlängert werden. Der Bundesrat hat das Gesetz zwar eigentlich nicht befürwortet, aber die Regierung hat so getan, als ginge das Gesetz die Länder nichts an. Blöd für die: Die Aufsicht über die AKWs liegt nicht beim Bund, sondern bei den Ländern. Da drückt der Bund den Ländern also Aufgaben auf und meint, die Länder nicht mal zu fragen, ob sie das ok finden. Entsprechend unbefristete sind die (insbesondere nicht schwarz-Geld-regierten) Länder. Das Gesetz dürfte also sehr demnächst beim BVerfG zur Überprüfung vorgelegt werden. Dann dürfte die bundespräsidiale Weisheit nochmal überprüft werden. Ob das Ergebnis der Prüfung dann den Subventionsgebern in der .Regierung gefallen wird, bleibt abzuwarten.

BDKafel

Eigentlich müsste ich mich über das Gefasel vom BDK-Chef Jansen aufregen. Uneigentlich bin ich dazu gerade nicht in der Lage, weil ich heute Nachmittag einen Termin bei meiner Augenärztin habe, aus dem wahrscheinlich eine neue Augen-OP rauskommen könnte. Will sich jemand ersatzweise aufregen?

Schwafheimnis

Godwin 2.0: Der Bundessuffwirtschaftsminister, Rainer Brüderle hat sich mal beliebt gemacht, und Wikileaks mit der Stasi verglichen. Warum auch nicht, Geheimnisse, die Regierungen vor ihren Wählern haben, sind ja auch mindestens genauso wichtig wie die privaten Informationen, die die Stasi gesammelt hat. Fragt sich noch, ob Brüderle auch schon mal mit 'wer nichts zu verbergen hat' argumentiert hat. Weil ich mich schon frage, was der Regierung das Recht gibt, vor ihren Arbeitgebern (uns Volk) Geheimnisse zu haben. Irgendwie zeigt Brüderle, dass seine Parteikollegin SLS definitiv nicht für die ganze FDP steht.

Die Nicht-völlig-nutzlos-Partei

Bisher sind die von Wikileaks veröffentlichten nicht sonderlich überraschend gewesen. Aber eine Meldung überrascht mich schon: Die Tatsache, dass Sabine Leutheuser-Schnarrenberger das Thema Datenschutz ernst meint, hat verhindert, dass die USA ihre Schnüffelpolitik ausweiten konnten. Das heißt dann wohl, dass die FDP nicht völlig unnütz ist. Wenn dann so Brüllaffen wie Westerbrülle und Co nicht wären, und die anderen Politiker (lies: so ziemlich alle außer SLS) nicht nur ein Thema hätten (Steuersenkungen! Steuersenkungen! Steuersenkungen!), könnte ich die fast schon respektieren. Dummerweise sieht es so aus, als sei SLS ziemlich alleine in der Partei.