Skip to content

Durchsetzungsmist

Dass die Regierung mal wieder ein Zensureinführungsgesetz durch den Bundestag prügeln will, habt ihr bestimmt mitbekommen. Die Kritik daran ist auch kaum zu übersehen. Was medial allerdings irgendwie zu kurz kommt: Wie handwerklich peinlich das Gesetz gemacht ist. Erstmal soll das 'Netzwerkdurchsetzungsgesetz' Betreiber von Kommunikationsplattformen mit mehr als einer bestimmten Anzahl Kunden also verpflichten, dass sie irgendwo eine Adresse haben, wo sich der Staat hinwenden kann. Das ist ja noch okay. Dann fordert das Gesetz zur Durchsetzung des Netzwerks die Betreiber dieser Plattformen aber auch auf, nach Hinweis binnen einer absurd kurzen Frist Äußerungen zu zensieren (kleiner Haken: Würde der Staat das selbst machen, könnte man sich direkt wegen eines gewissen Artikels 5 aus dem Gesetz mit dem lustigen Namen Grund dagegen wehren). Wenn die gemeldeten Hinweise nicht "offensichtlich strafbar" wären, lässt das Gesetz dem Plattformbetreiber immerhin großzügig eine Woche.

Schauen wir uns doch mal ein relativ aktuelles Beispiel angeblicher "Hate Speech" an: Das 'Schmähgedicht' von Böhmermann von vor einem Jahr. Da hat ja die Literaturkritikerin und zm Richteramt befähigte Spezialexpertin Doktor Angela Merkel nach intensiver Untersuchung festgestellt, das Gedicht sei "bewusst verletzend." Entsprechend wird das jedes damit befasste Gericht doch auch sofort (also in weniger als 24 Stunden nach Eingang der lage) genau so gesehen haben, oder? Ähm, nein. Selbst das berühmte Landgericht Hamburg hat das Gedicht nicht vollständig verboten. Und die Klage wegen Majestätsbeleidigung (der Frau Doktor Merkel in ihrem Nebenberuf als Bundeskanzlerin noch ihr Placet gegeben hat) ist ebenfalls krachend gescheitert.

Wenn nun aber selbst so ein offensichtliches Beispiel von 'Hass-Sprache' nicht bestraft wird, und damit eben nicht "offensichtlich strafbar" ist, dann wird auch klar, warum das sogenannte Justizministerium auf Nachfrage kein einziges Beispiel einer solchen verbietbaren Äußerung aufzeigen konnte. Die gibt es offenbar nicht. Aber wie ist den Ministerialen dann die Idee gekommen, dass es ein Gesetz zum Verbot von etwas geben müsste, was man nicht nachweisen kann? Da gibt es im Beck-Blog (vom juristischen Verlag, nicht dem stark gesichtsbehaarten Pöblers einer damals Nichtregierungspartei) einen interessanten Text: Es stellt sich heraus, dass das Ministerium für Justiz Nicht-Juristen zur Untersuchung einer juristisch nicht-trivialen Frage herangezogen hat. Da kann man wohl von mindestens fahrlässigem Verfassungsbruch sprechen, wenn das nicht sogar vorsätzlich ist. Wo ist eigentlich die Behörde, deren Name den Schutz der Verfassung behauptet, wenn man sie mal braucht?

Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

HTML-Tags werden in ihre Entities umgewandelt.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.
Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.

Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

BBCode-Formatierung erlaubt
Formular-Optionen

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!