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Pimmstellung

Erinnert ihr euch noch an 'Pimmelgate'? Das war gerade nochmal in den Nachrichten, weil die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage zugegeben hat, dass das Verfahren eingestellt wurde, weil da doch kein hinreichendes öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung bestanden hätte.

Aber blicken wir doch nochmal zurück: Im Jahr 2020 beliebte ein Innensenator Hamburgs in Zeiten härterer Corona-Beschränkungen eine verbotene Zusammenkunft zu veranstalten anlässlich der Tatsache, dass der feine Herr (weiter) Innensenator sein würde. Als das bekannt wurde, gab es eine kurze Aufregung, und für den feinen Herren eine Geldstrafe, weil Sowas Macht Man Nicht. Wenige Monate später scheint der aber seinen eigenen Fehltritt komplett vergessen zu haben, als er sich angesichts einiger öffentlich feiernder Personen auf Twitter in beleidigender Weise erging, dass Man Doch Corona-Regeln Immer Einzuhalten hätte. Einem anderen Twitter-Nutzer rutschte darauf hin die Hand ebenfalls aus, und er bezeichnete den Herrn Innensenator als "so 1 Pimmel". Da hätte die Geschichte enden können, hätte nicht eine nicht namentlich öffentlich bekannte Person den Twitterer angezeigt, und der Herr moralisch überlegene Senator eingewilligt, diesen strafrechtlich zu belangen. Das tat die Polizei zuerst, indem sie den Nutzer einlud, der daraufhin eingestand, jenen Tweet auch verfasst zu haben. Dann müssen Dinge geschehen sein, die ich mir immer noch nicht erklären kann, jedenfalls fühlten sich dann Staatsanwaltschaft, Gericht und Polizei bemüßigt, eine Hausdurchsuchung bei einer nicht mehr aktuellen Adresse jenes Twitter-Nutzers zu veranstalten, weil (so zumindest die damals veröffentlichte Begründung) man wolle des Gerätes habhaft werden, auf dem der Tweet geschrieben wurde, weil das Eingeständnis des Beschuldigten, die Tat getan zu haben, reicht ja nicht.

Diese ziemlich rechtsfern wirkenden Handlungen von Polizei, Gericht und (so nehme ich zumindest an) Staatsanwaltschaft wiederum wurden dank eines Tweets des Opfers dieser Oppressionsmaßnahme öffentlich bekannt, und erreichten ein weit größeres Medienecho als der Herr Senator, seine Regelbrüche, dessen moralisch überhobener Tweet und die Reaktion darauf jemals hätten erreichen können. Sogar die Washington Post aus Washington, District of Columbia, USA, Nord-Amerika, befand das einer Meldung Wert. Außerdem fühlten sich eine Reihe Personen herausgefordert, fertigten Aufkleber mit dem Text des Tweets an, oder applizierten eine Zeichnung davon an der Außenwand der Roten Flora, wo es anonyme Schmierfinken mit vermutlichem Polizeihintergrund überschmierten, nur um dann von anonymen Personen die selbe Botschaft da wieder drübergemalt zu bekommen. Das ganze endete dann damit, dass dem Innensenator, der Polizei und der Staatsanwaltschaft aufgefallen wurde, dass die Handlungen der dem Innensenator unterstehenden Polizei gegen jene verbotene Botschaft dem Ruf des Innensenators nicht zuträglich wären, und auch niemand mehr begründen konnte, warum die dem Innensenator unterstehende Polizei gegen Personen vorgehen sollen würde, die einen Text weiter verbreiteten.

Und dann wurde der Staatsanwaltschaft also noch gewahr, dass ein Interesse an weiterer Verfolgung des ursprünglichen Twitter-Schreibers ebenfalls dem Ruf des Herrn Senator nicht zuträglich wäre, und das Verfahren wurde still und leise eingestellt. Ein paar Fragen wären da dann aber noch offen: Wenn es an einem Interesse an weiterer Strafverfolgung mangelt, wie wurde dann die Hausdurchsuchung begründet? Könnte es sich dabei um einen Straftatbestand handeln? Oder steht da mit unsichtbarer Tinte im Gesetz, dass natürlich keiner der Straftatbestände für den Staat gelten würden, weil sonst wäre das ja auch peinlich? Hat die Polizei denn Geräte den Eigentümer weggenommen im Dunstkreis der Hausdurchsuchung, und falls ja: wurden diese wieder zurückgegeben (und inwelchem Zustand)? Auch da, wenn die Geräte nicht in genau dem selben Zustand zurückgegeben worden sein sollten, in dem die Polizei sie beschlagnahmt hat, wer prüft, ob dabei strafrechtlich relevante Taten vorzuwerfen wären? Diejenigen Personen, die an Geräten manipulieren können wird die Polizei doch sicher allesamt benennen können, nehme ich an.

Letztlich bleibt der ramponierte Ruf des sogenannten Rechtsstaates, sowie eines Herrn Innensenator zurück. Der kann die Schuld dafür bei sich und Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht suchen. Allerdings erst, nachdem die Erkenntnis ihm Zuteil wird, dass es manchmal weniger rufschädigend sein kann, nicht auf einen Tweet mit der Polizei loszugehen.

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