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Fähnchen im Wind

In der Diskussion um die Forderungen unseres Schnüffelministers ist Justizministerin Zypries ja recht positiv aufgefallen, aber bei der Vorratsdatenspeicherung ist dies leider nicht der Fall. Hintergründe davon kann man auf Telepolis nachlesen, wobei man sich dann auch nochmal auf der Zunge zergehen lassen kann, dass Zypries die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung als Ausbau der Bürgerrechte bezeichnet hat. Aber vielleicht ist das ja schon Neusprech.

Schuldig bis zum Beweis der Unschuld

Das soll der neue Grundsatz der Rechtsprechung sein, wenn es nach dem Bundesinnenschnüffler geht. Leider ist das Stern-Interview nicht im Netz zu finden, deswegen berichten heise-Ticker und Netzzeitung auch nur das, was der Stern von dem Interview online zeigt.

Laut der Zusammenfassung des Interviews argumentiert Schäuble für die Abschaffung der Unschuldsvermutung wie folgt: "Wäre es richtig zu sagen: Lieber lasse ich zehn Anschläge passieren, als dass ich jemanden, der vielleicht keinen Anschlag begehen will, daran zu hindern versuche. Nach meiner Auffassung wäre das falsch." Dass er dabei geflissentlich versäumt zu erwähnen, wie solch ein Hinderungsversuch an Unschuldigen aussieht. Man könnte sich zum Beispiel ein Lager für 'feindliche Kämpfer' vorstellen, in das all jene Personen ohne Verhandlung gesperrt werden, von denen der Herr Minister meint, sie könnten möglicherweise einen Anschlag begehen wollen.

Dazu passt auch, dass der Überwachungsminister "an all den Plänen nichts Schlimmes erkennen" könne, und eine ganz eigene Definition der Freiheit hat: "Die Gewährleistung von Sicherheit für Leib und Leben ist wesentlicher Teil der Aufgabe des Staates. Sie sichert uns eine Freiheit, die wir früher nicht hatten: weltweit zu reisen, zu kommunizieren, Geschäfte zu machen".

Folter lehnt Schäuble übrigens ab, und will sie "auch nicht augenzwinkernd" hinnehmen, aber wenn Nachrichtendienste von anderen Diensten Informationen über einen sehr gefährlichen Anschlag erhielten, wäre es "absurd", die Informationen nicht zu nützen, weil "nicht ganz so zuverlässig wie bei uns garantiert ist, dass sie rechtsstaatlich einwandfrei erlangt wurden". Mit einer anderen Haltung, so Schäuble, "würde ich meiner Verantwortung für die Sicherheit der Menschen nicht gerecht." Oder anders ausgedrückt: Folter ist dann in Ordnung, wenn durch sie Aussagen zu Anschlagsplänen erpresst werden, aber sonst nicht.

Den Gegnern seiner Überwachungsmaßnahmen wirft Schäuble dann auch noch vor, sie begingen "eine unakzeptable Diffamierung". Immerhin achte er ja die Verfassung. "Wer Gegenteiliges behauptet, betreibt ein infames Spiel mit mir."

Ich gehe mal davon aus, dass spätestens nach diesem Interview der Berliner Verfassungsschutz oder der Bundesverfassungsschutz dieses "infame Spiel" mitspielt, und den Schnüffelminister unter Beobachtung stellt. Von selbst wird der Mann wohl nicht merken, wie sehr er dem Staat, den zu schützen er vorgibt, mit seinen Auftritten schadet.